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Hitzeeindringung bei Waldbränden in den Boden und deren Auswirkungen auf Explosivstoffe


Zur Untersuchung der Frage, inwieweit bei Waldbränden eine Hitzeeindringung in den Boden erfolgt, die zu einer Umsetzung von Kampfmitteln führen kann, wurde im Auftrag des NLBL zunächst eine Studie von Dr. J. Hagenau und Prof. Dr. H. Borg von der Univ. Halle angefertigt. Die Studie befasst sich mit den Grundlagen des Wärmetransports im Boden und beinhaltet die Entwicklung eines Computerprogramms, mit dem der Wärmetransport simuliert werden kann.

Die Studie wird hier als PDF zum Download bereitgestellt und soll wie folgt zitiert werden:

Hagenau, J. & H. Borg 2019: In welchem Maße bringen Waldbrände Gefahren aufgrund von Kampfmitteln im Boden mit sich? - Berechnung der Temperaturverteilung in einem Bodenprofil während des Verlaufs von Brandereignissen und in der nachfolgenden Abkühlungsphase.- Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Landesamts für Bau und Liegenschaften, 45 S. 587 kB

Basierend auf dem Gutachten von 2019 wurde durch Prof. Dr. H. Borg eine weitere Studie angefertigt, mit der als Beispielrechnung eine Worst-Case-Betrachtung zur Hitzeeindringung und möglichen Kampfmittelumsetzung vorgenommen wurde. Diese Studie ist - um eine weite Verbreitung und leichte Zugängigkeit zu ermöglichen - im Altlastenspektrum veröffentlicht:

  • Preetz, H. & H. Borg 2023: In welchem Maße bringen Waldbrände Gefahren aufgrund von Kampfmitteln im Boden mit sich?- Altlastenspektrum 01/2023: 5 – 12.

Das Copyright der Publikation liegt beim Erich Schmidt-Verlag. Sie kann dort bezogen werden.

Nachfolgend erfolgt eine Zusammenfassung der beiden o.g. Publikationen:

In kampfmittelbelasteten Wäldern kann es bei Bränden zu einer Umsetzung der im Boden liegenden Kampfmittel kommen. Dabei entstehen Gefahren für die Feuerwehr, die auf Grund von Explosionswirkungen und Splitterflug große Sicherheitsabstände zu den betroffenen Flächen einhalten muss und die Löscharbeiten nicht mehr durchführen kann.

In der hier zusammengefassten Studie wird die Hitzeeindringung in den Boden bei Waldbränden betrachtet, um zu einer Aussage zu gelangen, bis in welche Tiefe die Gefahr einer Umsetzung besteht. Daraus ist dann die erforderliche Räumtiefe der Kampfmittel ableitbar.

Um eine Maßzahl für die Umsetzung der Explosivstoffe zu ermitteln, wurden die Verpuffungspunkte bzw. Zündtemperaturen gängiger Sprengstoffe und Initialsprengstoffe zusammengestellt und als ungünstigster Fall der Stoff mit der niedrigsten Zündtemperatur ausgewählt (Tetrazen mit 140 °C).

Die Eindringung der Hitze in den Boden lässt sich mit Hilfe der Wärmetransportgleichung in dem eigens dafür von Hagenau & Borg 2019 erstellten eindimensionalen (1D) Computerprogramm berechnen. Für die Berechnung werden drei Parameter benötigt, für die als Eingangsdaten zur Beurteilung eines Worst-Case-Szenarios die folgenden Werte eingesetzt wurden: Brandtemperatur 800 °C, Branddauer 1 h, thermische Diffusivität des Bodens 0,007 cm²/s. Nach Brandende wird die Abkühlung der Bodenoberfläche durch Abstrahlung in die Atmosphäre berechnet. Innerhalb des Bodenprofils findet weiterhin eine Umverteilung der Brandwärme in größere Tiefen statt.

Als Ergebnis wird die Hitzeeindringung in den Boden anhand des Temperaturverlaufs im Bodenprofil zu verschiedenen Zeiten dargestellt. Daraus geht hervor, dass am Ende des einstündigen Brandes die Temperatur an der Bodenoberfläche 800 °C beträgt und 140 °C noch in knapp 10 cm Tiefe erreicht werden. Eine Stunde nach Brandende hat sich die Temperatur an der Bodenoberfläche schon deutlich auf < 100 °C reduziert. Gleichzeitig hat auch eine Wärmeleitung in die Tiefe stattgefunden, was zu einer Erhöhung der Temperatur im Unterboden mit einem Maximum von ca. 210 °C in 6 cm Tiefe führt. Die kritische Temperatur von 140 °C erreicht zu diesem Zeitpunkt ihre größte Tiefe von 13 cm. In der Folgezeit reduzieren sich dann die Temperaturen überall im Boden auf deutlich unter 140 °C.

Aus dem Ergebnis der maximalen Eindringung der Temperatur von 140 °C bis 13 cm Tiefe lässt sich eine maximale notwendige Räumtiefe von 20 cm ableiten. Diese Tiefe ist gut handhabbar, enthält einen Sicherheitspuffer und liegt innerhalb der Reichweite eines Metalldetektors.

Im Anschluss an die Publikation der oben zusammengefassten Ergebnisse zur vertikalen Wärmeausbreitung in Böden wurden weitergehende Fragen aufgeworfen. Diese betrafen zum einen den Wunsch, eine Validierung des Modells zur Berechnung der Wärmeausbreitung mittels experimentell gewonnener Daten vorzunehmen. Zum anderen sollte der Fall untersucht werden, dass über eine abgestorbene Baumwurzel ein Schwelbrand in den Unterboden vordringt und dort möglicherweise eine kritische Erwärmung verursacht. Darin einbezogen war auch die Betrachtung eines Schwelbrands im unterirdischen Teils eines Wurzelstocks. Während die Frage der vertikalen Wärmeausbreitung mit einem 1D-Programm berechnet werden kann, bedarf es bei der Simulation des Wärmetransports, der von einer brennenden Wurzel o. ä. im Unterboden ausgeht, eines dreidimensionalen (3D) Programms. Ein solches Programm wurde von Prof. Dr. H. Borg erstellt. Anschließend wurden damit die Auswirkungen eines Wurzelbrands bzw. des Brands eines Wurzelstocks berechnet. Die Ergebnisse daraus, ebenso wie die Ergebnisse der Validierung des 1D-Programms, wurden in einem Gutachten zusammengefasst, das hier auch zum Download zur Verfügung steht:

Borg, H. 2024: Weiterführende Untersuchungen zur Hitzeeindringung bei Waldbränden in den Boden und deren Auswirkungen auf Explosivstoffe.- Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Landesamts für Bau und Liegenschaften, 64 S. 2,19 MB

Für die Überprüfung des 1D-Computerprogramms wurden berechnete Werte mit Messergebnissen verglichen, die bei einem Brandversuch im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Universität der Bundeswehr in München erhoben wurden. Die zur Berechnung verwendeten thermischen Diffusivitäten wurden am Bodenphysik-Labor der TU Berlin ermittelt. Die Vergleiche erbrachten den Nachweis, dass das 1D-Computerprogramm die gemessenen Daten gut nachbilden kann und das Programm demnach auch für andere Simulationen und Worst-Case-Betrachtung vernünftige Ergebnisse liefert.

Ein zentrales Ergebnis der Computersimulation eines Wurzelbrands ist, dass bei einem sehr heißen Schwelbrand einer Wurzel von 500 °C bis zu einem Abstand von bis zu 6 cm um sie herum und entlang ihres ganzen Verlaufs eine Zone entsteht, in der 140 °C erreicht bzw. überschritten werden. Bis 4 cm unterhalb der Wurzel werden ebenfalls 140 °C erreicht. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass Munition, die dicht an einer Wurzel liegt oder um die eine Wurzel herum gewachsen ist, umsetzt, wenn in dieser Wurzel ein Schwelbrand auftritt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist allerdings sehr gering, aber eben nicht Null.

Es wurde auch noch ein Schwelbrand in einem massiven Wurzelstock (hier definiert als der unterirdische Teil eines Baumstumpfs) in Kombination mit einem flächenhaften (Wald)Brand an der Bodenoberfläche simuliert. Für den Wurzelstock wurde eine Tiefe von 40 cm und eine Dicke von 40 cm angenommen sowie eine Brandtemperatur von 500 °C. Wegen der deutlich größeren Biomasse brennt der Wurzelstock wesentlich länger als eine Wurzel (> 22 Stunden im Vergleich zu < 3 Stunden), so dass die kritische 140 °C-Linie mit 25 cm eine deutlich größere maximale laterale Entfernung vom Wurzelstock erreicht als von der zuvor betrachteten Wurzel. Auch die maximal erreichte Tiefe unter dem Wurzelstock ist mit 28 cm deutlich größer. Weil eine größere Fläche über die kritische Temperatur von 140 °C erwärmt wird, ist das Risiko, dass auch zwischen 13 und 68 cm tief im Boden befindliche Munition zur Explosion gebracht werden könnte, bei einem Brand in einem Wurzelstock deutlich höher als bei einem Wurzelbrand. Allerdings kommt ein Schwelbrand in einem Wurzelstock nur selten vor, weil dieser (und der Baumstumpf über der Erde) sich nach dem Abbrechen oder Fällen des Baums recht schnell zersetzt, als Folge davon viel Wasser aufnehmen kann und dementsprechend in der Regel sehr feucht bis nass ist. Ein Brand ist daher eher unwahrscheinlich.

Für detaillierte Informationen und weitere berechnete Varianten wird der Blick in die bereitgestellten Gutachten empfohlen.

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